Xi|an 10.5.-14.5. [:city summaries]

Xian – berühmt für die Terrakotta-Krieger-Ausgrabungen. Mehr wissen wir kurz vor der Einfahrt noch nicht von der Hauptstadt der Provinz Shaanxi. Das Smartphone eines Mitreisenden und unsere wundervolle chinesische Couchsurfing-Gastgeberin Amanda weiten unseren Horizont.

Als wir noch etwas weniger als 10 Minuten bis Xian haben, hält uns ein junger Chinese sein Smartphone unter die Nase. Wir hatten davor schon versucht miteinander zu sprechen, konnten jedoch mit chinesisch nicht dienen. Er hatte jedenfalls offensichtlich keinen Sitzplatz im Zug mehr bekommen und schlief sozusagen im Gang neben uns. Nun strahlt er uns freudig an und deutet auf einen englischen Text, den er offensichtlich für uns auf seinem Handy herausgesucht hat. Er ist ganz aufgeregt, uns diesen zu präsentieren.

Obgleich wir sehr müde von der Fahrt sind, schätzen wir seine Hilfsbereitschaft sehr, nehmen das freundliche Angebot an und lesen quer, was Xian zu bieten hat. Was erfahren wir?

Früher war Xian wohl als Changan bekannt. Das bedeutet übersetzt „immer währender Frieden“. Das klingt vielversprechend!

Es sei die größte Stadt des nordwestlichen Chinas mit rund 9 Millionen Einwohnern. Später erfahren wir von Amanda, zu der wir couchsurfen gehen, dass Xian dabei aber gerade mal ein Drittel der Einwohner von Beijing zählt.

Wir stellen uns vor, wie unterschiedlichste Händler und Geschäftsleute feilschen und hitzig über allerlei Waren diskutieren . Denn weiter heißt es, dass Xian der erste Stop auf der Seidenstraße war. Bindeglied zwischen orientalischer und westlicher Welt.

Ein Besuch in Xian, sei ein echtes Sinnbild für das gesamte China, fährt der Text fort. Sowohl historisch als auch kulturell lägen hier die Wurzeln des Reichs der Mitte. Der junge Helfer fügt noch spürbar stolz etwas auf chinesisch hinzu. Wir können jedoch nur ahnen, dass er diese Aussage bestärken will.

Dann fährt der Zug auch schon ein. Wir bedanken uns herzlich bei ihm und sind gespannt, was uns nun erwartet.

Es ist noch Morgen, wir wollen jetzt einfach nur einen Park finden, um unsere Backpacks abzusetzen, von der Fahrt zu ruhen, entspannen bis unsere Gastgeberin Amanda am Abend daheim ist.

Aus dem Bahnhof raus, treffen wir direkt im Stadtkern ein. Dieser ist umgeben von einer wunderschönen, 600 Jahre alten Stadtmauer mit Glocken- und Trommelturm. Später erfahren wir, dass die Stadtmauer die best erhaltenste der Welt ist. Wir kaufen einer Frau eine Stadtkarte ab, um uns einen Überblick zu verschaffen, wie wir am schnellsten einen Park finden. Wir sehen, dass sich viele Attraktionen innerhalb der Stadtmauer befinden. Darunter auch einige Grünflächen. Das kommt uns wie gerufen!

Weniger wie gerufen schleicht sich ein Guide, der uns gleich eine Herberge und eine Tour zur Terrakotta Armee verkaufen will, an uns heran. Wir nehmen zwar seine Visitenkarte mit, flüchten aber in Richtung Geming Park. Denn das Wetter ist traumhaft! Und unsere Rücken wollen Entlastung.

Auf dem Weg zum Park kräftigen wir uns noch mit etwas zu essen, buchen eine Stunde im Internetcafe, um unsere Weiterreise zu planen und schauen uns auch einmal digital die Karte von Xian an. Dann geht es gezielt Richtung Grünfläche.

Gesucht, gefunden! Der Park wirkt freundlich und es ist sogar möglich ins Gras zu liegen. Das sei erwähnt, da das tatsächlich der erste Park ist, der dies erlaubt, seitdem wir uns in China befinden. So setzen wir unsere Backpacks ab und tauchen ein in die neue Kulisse. Wie schon in Beijing erlebt, machen Frauengruppen traditionelle Übungen. Im Freien mit Ghettoblaster. Wie einfach Zusammenkunft sein kann! In Deutschland scheint man dafür immer ein Fitnessstudio zu brauchen. Wir beobachten das Schauspiel bis wir müde sind und nicken ein.

“Heeeeey, sexy Lady!” – Tönt es, als wir plötzlich aus unserem Halbschlaf aufwachen. Wir können unseren Augen kaum trauen: Diese Frauen, die vorhin noch traditionellen Klängen mit Körperbewegungen folgten, tanzen jetzt tatsächlich auch am anderen Ende der Welt zu Gangnam Style. Wie kann sich bei allen Bewahren von Traditionellem gerade dieser Song einschleichen? Wir schmeißen uns weg vor Lachen. Es ist fantastisch die kontrolliert-zaghaften bis steifwirkenden Bewegungsmuster im losgelöst wilden Gangnam Style wiederzusehen…

Viele Schlendernde genießen den Anblick. Unter den zuschauenden Männern befindet sich einer, der scheinbar schon länger Blickkontakt zu uns gesucht hat und steuert auf uns zu. Auf chinesisch deutet er uns, dass man hier nicht wildcampen darf. Erneut müssen wir lachen. Was die Leute nur denken! Wie wir wohl wirken müssen!

Und apropos Lachen: Als wir uns in die Sonne legen, schütteln die ersten Asiaten den Kopf und halten sich den Bauch. Dass wir uns sonnen, ist für sie kaum zu glauben. Sie benützen nämlich Bleaching-Cremes, um weiß zu sein wie Deutsche. Und sie tragen stets einen Sonnenschirm bei sich. Könnten wir ihnen erzählen, dass es bei uns Bräunungscremes und Solarien gibt, hielten sie das gewiss für einen Witz. An diesen Beispiel lässt sich schon vermuten: Man scheint überall auf der Welt das zu wollen, was man nicht hat.

Der weitere Tagesverlauf ist gezeichnet von Kindergekichere in Fahrgeschäften (der Park ist gleichzeitig auch Kinderpark), Genuss von Sonnenstrahlen bei einem Bierchen. Später auch durch Ärger über die Agentur, über die wir unsere Tibetreise gebucht haben. Mehr dazu aber im Tibetbericht. Jedenfalls ist dann irgendwann Abend und wir sind gespannt auf Amanda.

Bevor wir uns mit dem Taxi auf den Weg zu ihr machen, kramen wir nochmals den Zettel heraus, auf dem die Adresse in Mandarin-Lettern steht. Mit der lateinischen Schrift sind wir auch schon in Beijing keinen Meter weiter gekommen. Wie gewohnt stehen wir mit unseren Backpacks am Straßenrand und melden mit unseren Handzeichen Taxibedarf an. Wir vergnügen uns nicht schlecht, als zwei Scooter halten, um uns ihren Dienst zu erweisen. Wo sollen den die riesigen Rucksäcke hin, erklären unsere Fingerzeige. Die nonverbal Gegenantwort: zwischen die Beine. Einer schneller Meinungsaustausch per Blickkontakt zwischen Simon und mir. Dieses Mal entscheiden wir uns gegen das Abenteuer. Das Risiko ist uns zu gross, denn die Backpacks sind alles was wir haben. Nach einer kleinen Geduldsprobe bekommen wir auch endlich ein Taxi. Und haben unseren ersten Unfall!

Wir befinden uns inmitten der Rush Hour von Xian. Es wuselt hier mindestens genauso heftig, wie in Beijing. Plötzlich rumpelt es: Wir sind mit einem Scooter zusammen gecrasht. Wir schauen nach der jungen Chinesin, der Fahrer würdigt sie keines Blickes und studiert sein Blech nach Schäden. Wir sind uns einig: Wir wollen die Fahrt abbrechen. Doch der Fahrer verweigert es uns. Er lässt uns nicht aussteigen. Stattdessen beginnt er mit der noch am Boden liegenden Dame über Geld zu diskutieren. Polizei oder Arzt? Fehlanzeige. Und das Taxometer läuft weiter während seiner ausgiebigen Diskussion. Was tun? Wir schreiben seine Fahrernummer ab. Dann rufen wir unsere Gastgeberin an, dass wir später kommen Schließlich und sichtlich um einige Geldschein reicher, kommt der Fahrer und nimmt die Fahrt wieder auf. Für das Dreifache, was eine solche Fahrt gewöhnlich gekostet hätte, setzt er uns am Ziel ab Wir sind nicht gerade begeistert. Da wir uns aber nicht erklären können, nehmen wir es hin. Sprache ist wirklich ein unfassbar zentraler Faktor. Wie schön es wirklich wäre, wir könnten alle eine gemeinsame sprechen.

Dann steht sie auch schon vor uns, Amanda. Eine herzliche Begrüßung und eine Wohnungsführung samt einer Schlüsselübergabe später liegen wir – alle Viere von uns streckend – auf der Couch, die sie extra neu für uns gekauft hat. Wir schlafen lange und gut in dieser kleinen süßen Wohnung mit Blick über Xian.

Am nächsten Morgen gehen wir gemeinsam mit unserer Gastgeberin frühstücken, lernen uns ein bisschen kennen: Bei guten Gesprächen über das Leben in Xian, über junge Menschen in China, Bildung und über die ein oder andere persönliche Geschichte. Kurz vor Mittag kommt die Frage, was wir heute unternehmen wollen. – Noch nichts. Einfach wieder ein Park, am Abend die Terrakotta-Tour für den Abschlusstag buchen vielleicht. Auf jeden Fall morgen eine gute und handliche Kamera und ein Netbook kaufen, dass wir unseren Blog schreiben können. Das genügt. So war es dann auch. Den Abend kochen wir zusammen. Das klassische Drachenbootfestessen. Und geniessen es wieder umgeben von guten Gesprächen.

Der nächste Tag: Einkaufen in Xian. Wir benötigen tatsächlich einen ganzen Tag, um eine Kamera und ein Netbook zu kaufen. Einen ganzen Tag! Unsere Nerven sind zwischendurch nicht schlecht herausgefordert. Ohne Amanda wären wir niemals fündig geworden. Auch in Xian spricht niemand englisch (Amanda hat Tourismus studiert und spricht fließend). Nonverbal kommuniziert jeder: Sobald wir als Westliche vorbeilaufen, werden Stühle herausgezogen, Wasser eingeschenkt, iPhones und iPads präsentiert. Wir sind in einem Riesenstore, der Technikwaren anbietet. Doch irgendwann sehen wir vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Zumal keiner das bringt, was wir erfragen. Wir machen sogar eine Mittagspause, bis zu der wir noch erfolglos sind. Kann es denn sein, dass wir in China nicht das finden, was wir brauchen? Wir dachten hier würde alles produziert….

Am Mittag dann endlich die gute Meldung: Ein Netbook mit deutscher Software ist bereitstellbar. Nur noch die Installation abwarten, dann wird das Ganze! Eine weitere Geduldsprobe später halten wir es in unseren Händen, das kleine schwarze acer Netbook für umgerechnet 240 Euro. Wir freuen uns riesig!

Was der Abend versprach: Eine bezaubernde Big Wild Goose Pagoda, die die öde Tageshälfte im Technikstore vergessen ließ. Sie ist eine der berühmtesten chinesischen Pagoden. Wir besuchen sie bei Nacht. Das Farbspiel ist ergreifend für uns. Man sagt der Pagode nach, dass sie erbaut wurde, um dort klassische Sanskrit und buddhistische Statuen und Reliquien zu lagern. Für uns wurde sie für einen echten Hauch von Romantik erbaut. Denn um uns herum taumeln sich weitere Pärchen. Die Pagode hat 7 Dächer und ist 64 Meter hoch. Sie ist das höchste Gebäude der Stadt und wird daher als Wahrzeichen benützt. Ach ja, je mehr Dächer, desto bedeutsamer, lautet wohl die Architektenregel in China, erklärte uns Marcel in Beijing. Wir gehen über die nördlich Seite zur Pagode, die die größte Springbrunnenanlage Asiens aufweist. Malerisch spiegeln sich die Lichter in der Wasseroberfläche. Wir sitzen eine ganze Weile einfach nur da. Horchen, sehen, fühlen. Erst als die Lichter der umliegenden Restaurants ausgehen, vermuten wir, dass es wirklich schon spät ist und wir uns Richtung Heimat machen sollten. Schließlich muss Amanda morgen früh raus.

Als der Wecker klingelt ist Amanda schon auf der Arbeit und für uns ist klar: Heute gehts zur Terrakotta Armee!!!! Wir fahren mit einem Kleinbus ungefähr 30 km von Xian raus und besuchen drei Gruben des „8. Weltwunders“, die gerade einmal erst vor etwa 40 Jahren entdeckt wurden. In der ersten und größten befinden sich 6.000 lebensgroße Terrakottasoldaten. Die nächste enthält ungefähr 1.200 Terrakottafiguren. In der dritten stehen 78 Figuren. Die Terrakotta-Armee besteht also aus rund 7.278 lebensgroßen Fuß- und Reitsoldaten. So viel erfahren wir von unserem Gruppenguide.

Wir genießen es auf unserer Reise, alles auf uns zukommen zu lassen und informieren uns vorab kaum. So wird auch hier unsere Vorstellungskraft aktiv: Alles tapfere, verstorbene Krieger? Persönliche Monumente? Denn keiner gleicht dem anderen. Ehrfurcht einflößende Maßnahme, um Feinde von der Stadt fernzuhalten? Die Krieger wirken immerwach und sind lebensgroß, Soldaten bewegen sich schließlich nur auf Befehl, das wäre eine gute Idee! Schließlich fragen wir nach und erhalten Antwort: Es wird vermutlich eine vollständige Armee der damaligen Zeit dargestellt. Die verschiedenen Ränge sind an den Uniformen erkennbar. In der Hauptgrube stehen die Soldaten in einer Schlachtordnung. Die ersten bilden die Vorhut, dahinter folgt die Hauptarmee. Bislang wurden noch nicht alle Soldaten ausgegraben. Daher wird die Gesamtzahl anhand der sogenannten Figurendichte der bisher ausgegrabenen Soldaten geschätzt. Das Schlusslicht bildet die Nachhut.

Der Gruppenguide betont, was wir schon erkundet haben: Dass alle diese Figuren individuell gestaltet sind, also keine zwei weder in Haltung, noch in der Gestik und Mimik oder in Ausstattungsdetails gleich sind. Offen sei daher die Frage, ob es sich um persönliche Nachbildungen handle, oder dem Ganzen künstlerische Freiheit zugrunde liege. Mystisch ist die Frage in jedem Fall. Und die Vorstellung, gerade wenn man davor steht, verzaubert einen.

Jedenfalls empfiehlt uns der Tourguide, noch einmal in ein paar Jahren zu kommen. Denn das große Ziel der chinesischen Archäologen bestünde darin, in einigen Jahren den noch verschlossenen Grabhügel zu öffnen. Bis heute wird gemutmaßt, was sich in ihm verbirgt.

Aus Wikipedia erfahren wir, was der Historiker Sima Qian in seinem von 109 bis 91 v. Chr. geschriebenen Werk “Shiji die Grabhalle Qin Shihuangdis” darin beschrieb:

An einer hohen Decke seien tausende von Perlen und Edelsteinen befestigt worden, die den Sternenhimmel symbolisieren sollen. Auf dem Boden befinde sich ein Panorama von China, in dem alle Seen und Flüsse aus Quecksilber nachgebildet worden seien. Die Flüsse sollen durch einen Automatismus ständig fließen. In der Mitte der Halle befindet sich laut Sima Qian der Sarg des ersten Kaisers von China. Die Gänge zur Grabhalle seien gesäumt von Tonfiguren, welche vor allem Vögel und andere Tiere darstellten.

Gemäß Wikipedia ergeben neuere Untersuchungen mit Sonar- und Computertechnik tatsächlich eine hohe Quecksilberkonzentration im Berg. Sehr aufregend! Xian, vielleicht kommen wir wieder.

Voller Eindrücke verbringen wir die letzte Nacht in Xian in der 7 Sages Jugendherberge. Der Taxifahrer macht auf dem Weg dorthin eine komplette, wundervolle Sightseeing Tour mit uns. Wir haben richtig Spaß dabei. Simon fiebert mit der Stadtkarte in der Hand mit. Dann kommen wir an, an den historischen Toren der 7 Sages. Ein traumhafter Ort. Sie ist denkmalgeschützt und einfach ein fantastisch zentral gelegener Ort für Reisende, mit allem, was man braucht. Eine ausführliche westliche und asiatische Speisekarte lassen uns bei angenehmen Schatten das sonnige Wetter genießen und den Erlebnissen der letzten Tage dankbar nachspüren. Wir schreiben Postkarten, sortieren erste Bilder (wir haben jetzt ja ein Netbook). Schließlich erholen wir uns noch den ganzen nächsten Tag bis zum Abend wunderbar auf der Sonnenterrasse, bevor es wieder 12 Stunden Zugfahrt nach Xining heißt.

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